Für Immer Siebzehn: Das Umstrittene Alter Junger Geflüchteter in Deutschland

Ulrike Bialas


In ihrem Buch Forever 17 untersucht Ulrike die umstrittenen Alter junger Geflüchteter in Deutschland, die widersprüchlichen Bedeutungen, die der Staat und die Geflüchteten dem Alter geben und die Mechanismen, durch die ein offizielles Geburtsdatum die Zukunft Geflüchteter in Deutschland wesentlich mitbestimmt. Seit 2015 haben hunderttausende unbegleiteter junger Menschen aus dem Mittleren Osten und Subsahara-Afrika in Deutschland ohne Identitätsdokumente Asyl beantragt. Weil das chronologische Alter in vielen Teilen des Globalen Südens wenig kulturelle oder rechtliche Bedeutung hat, fehlt es vielen von ihnen nicht nur an Nachweisen über ihr Geburtsdatum sondern oftmals auch an Wissen um ihr exaktes Alter. Deutsche Behörden sind jedoch auf eine klare Unterscheidung zwischen Minderjährigen und Erwachsenen angewiesen, um über den Zugang zur Jugendhilfe, den Geltungsbereich von Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie die Vergabe anderer staatlicher Zuwendungen zu entscheiden. Der deutsche Staat stand und steht deshalb vor der Herausforderung, das Alter Geflüchteter zu bestimmen, während die jungen Geflüchteten selbst oft überzeugt sind, dass nur die Minderjährigkeit ihnen ein sicheres und erfülltes Leben in Europa ermöglichen kann und sich deshalb auf die aufwändige Prozedur der Altersbestimmung und die mitunter als bevormundend empfundene Realität des Lebens als Minderjähriger einlassen. Basierend auf mehr als drei Jahren ethnographischer Feldforschung mit jungen, geflüchteten Männern in Berlin sowie AltersschätzerInnen, SozialarbeiterInnen und Ehrenamtlichen, zeigt dieses Buch die Aushandlungsprozesse zwischen deutschen Behörden und jungen unbegleiteten Geflüchteten über deren Alter und die täglichen Herausforderungen des Lebens mit einer angefochtenen Identität. Nicht nur ist es letztendlich unmöglich Geburtsdaten festzustellen, der Konflikt um die Minderjährigkeit von MigrantInnen offenbart die Komplexität und Mehrdeutigkeit der nur auf den ersten Blick natürlich scheinenden sozialen Kategorie des Alters. Das Alter ist vielleicht gar nicht der beste Ansatz zur Feststellung von Hilfebedürftigkeit, da eine binäre Unterscheidung zwischen Minderjährigen und Erwachsenen die Nuancen des Jungseins verschleiert, das gesunde und altersgerechte Streben nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung derer hemmt, die um eine Klassifizierung als minderjährig kämpfen und jene von wichtigen staatlichen Unterstützungsangeboten ausschließt, die als junge Erwachsene eingestuft werden. 

 

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