Pressemeldung 6.12.2018

Leibniz-Preis 2019 für Ayelet Shachar

Ayelet Shachar, Direktorin am Göttinger Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften (MPI-MMG), erhält den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2019. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zeichnet die Politik- und Rechtswissenschaftlerin damit für ihre bahnbrechenden Arbeiten zu Staatsbürgerschaft und rechtlichen Rahmenbedingungen in multikulturellen Gesellschaften aus. Der wichtigste deutsche Forschungsförderpreis ist mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotiert.

Steven Vertovec, geschäftsführender Direktor des MPI-MMG, gratulierte der Wissenschaftlerin Ayelet Shachar, die interdisziplinär zu Fragen von Recht, Politik und Ethik arbeitet: „Die Auszeichnung der wegweisenden Arbeiten von Ayelet Shachar mit dem renommierten Leibniz-Preis ist eine große Anerkennung für ihre Leistungen.“

In einer ersten Stellungnahme zeigt sich Shachar überrascht und überwältigt vom Empfang des Preises. „Ich bin dankbar und fühle mich sehr geehrt. Besonders freue ich mich, dass zwei weitere Max-Planck-Direktorinnen zu den Preisträgerinnen 2019 zählen.“ Für das Institut bedeute der Preis die Anerkennung seiner exzellenten Forschung zu Fragestellungen von Staatsbürgerschaft, Migration und gesellschaft­licher Diversität. Der großzügig dotierte Preis wird es Shachar ermöglichen, ihre Forschung noch weiter auszubauen und zu vertiefen.

Shachar ist die Autorin des Buches Multicultural Jurisdictions: Cultural Differences and Women's Rights (Cambridge University Press, 2001), für das sie den Preis für das beste erste Buch der American Political Science Association 2002 Foundations of Political Theory  gewann. Das Buch setzte wichtige neue Impulse, um Lösungen für die Spannungen zwischen Geschlechtergerechtigkeit und religiöser Vielfalt zu finden. Shachars Buch hat sich dabei auch als sehr einflussreich außerhalb der Wissenschaft erwiesen. Es wurde umfassend in politischen und parlamentarischen Debatten zitiert, zuletzt vom englischen Erzbischof von Canterbury, der Shachars Arbeit als „sehr originell und bedeutsam“ bezeichnete, sowie vom Justizministerium des kanadischen Bundestaates Ontario und vom Obersten Gerichtshof Kanadas.

Ayelet Shachars Arbeit verbindet die großen Ideen in Recht und Politik mit innovativer Problemlösung. Ihr Buch, The Birthright Lottery: Citizenship and Global Inequality (Harvard University Press, 2009), wurde 2010 in Anerkennung seines „wegweisenden wissenschaftlichen Beitrags zur internationalen Ethik" zum International Ethics Notable Book ernannt. Das Buch wurde sowohl von Politik als auch von Wissenschaft mit großem Interesse aufgenommen. An der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und politischer Philosophie entwickelt The Birthright Lottery neue rechtliche Konzepte und innovative institutionelle Lösungen zur Förderung der globalen Gerechtigkeit. Anliegen des Buchs ist es, die Chancenungleichheiten zu mildern, die sich aus dem derzeitigen System des Zugangs zur Staatsbürgerschaft in der Welt ergeben.

Shachar ist außerdem leitende Herausgeberin des Oxford Handbook of Citizenship (Oxford University Press, 2017), das als "die wegweisende Quelle für ein kritisches Thema des politischen und sozialen Lebens" und als „innovativ in der Konzeption und souverän in der Darstellung“ nachdrücklich gelobt wurde.

Shachars derzeitige Forschung befasst sich mit den rechtlichen und ethischen Herausforderungen, die sich aus verschiedenen Programmen zum Erwerb von Staatsbürgerschaft durch Kauf oder Investment ergeben. Darüber hinaus widmet sie sich dem Phänomen der „beweglichen Grenze“ (Shifting Border), in dem sich einst feste territoriale Grenzen in bewegliche Barrieren verwandeln. Das rechtliche Konstrukt der sich verschiebenden Grenze schafft flexible und unbeständige Zonen, in denen intensive Überwachung und Migrationskontrolle erlaubt sind. Ihr neues Buch, The Shifting Border: Legal Cartographies of Migration and Mobility, beleuchtet dieses Phänomen und entwickelt institutionelle und demokratische Antworten auf die sich daraus ergebenden Herausforderungen. Das Buch wird als Teil der Serie Critical Power der Manchester University Press erscheinen.

Ayelet Shachar hat Exzellenz- und Forschungspreise in vier verschiedenen Ländern erhalten (Kanada, Israel, Deutschland und Vereinigte Staaten) und war Mitglied des Institute for Advanced Study in Princeton. Darüberhinaus war sie Fulbright Fellow, Distinguished Visiting Scholar im Law and Public Affairs Program in Princeton (LAPA), Emile Noël Senior Fellow an der NYU School of Law und W. M. Keck Fellow in Legal Ethics and Professional Culture an der Yale Law School. Shachar hat zahlreiche Beiträge in führenden Zeitschriften für Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaften und politische Philosophie veröffentlicht, unter anderem im Yale Law Journal, Theoretical Inquiries in Law , Journal of Political Philosophy, Harvard Civil Rights-Civil Liberties Law Review , NYU Law Review, Yale Journal of Law & the Humanities , Philosophy and Social Criticism, Political Theory und Perspectives on Politics.

Zur Person

Ayelet Shachar studierte an der Universität Tel Aviv, wo sie 1993 einen Bachelor in Jura (LL.B.) und einen Bachelor in Politikwissenschaft erwarb. Es folgten ein Master of Laws (LL.M.) (1995) und ein Doktorat J.S.D. (1997), beide an der Yale Law School. 1999 wurde Shachar an die Toronto University in Kanada berufen: zuerst als Visiting Professor (1999), dann als Assistant Professor (1999-2004) und schließlich als Associate Professor (2004-2007). 2007 wurde Ayelet Shachar zum Full Professor of Law, Political Science and Global Affairs ernannt und übernahm den Canada Research Chair in Citizenship and Multiculturalism. Seit 2015 ist sie wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Direktorin am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften.


Der Leibniz-Preis

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ist der wichtigste Forschungsförderpreis in Deutschland. Neben hohem Renommee ist die Auszeichnung mit einem Preisgeld von bis zu 2,5 Millionen Euro verbunden. Ziel des 1985 eingerichteten Leibniz-Programms ist es, die Forschungsmöglichkeiten für Preisträgerinnen und Preisträger zu erweitern, sie von administrativem Arbeitsaufwand zu entlasten und ihnen die Beschäftigung besonders qualifizierter junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu erleichtern. Die Förderung wird nur auf Vorschlag Dritter gewährt. Die Entscheidung über die Preisvergabe trifft der Hauptausschuss aufgrund einer Empfehlung des Auswahlausschusses für das Leibniz-Programm. Neben Ayelet Shachar wurden in diesem Jahr neun weitere Forscherinnen und Forscher ausgezeichnet.

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